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Bewegungen im Raum des Wissens




Vorweg: Wovon man sprechen kann ...

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Es ist häufig – besonders in den Wissenschaften – angebracht, zwischen der Realität, von der wir sprechen, und dem Wissen, das wir dabei zum Ausdruck bringen, zu differenzieren. Doch sollte diese Unterscheidung nicht verschleiern, dass alles, was uns in den Wissenschaften – und auch sonst – zur Verfügung steht, Daten sind, abgeleitet aus Messungen, Beobachtungen oder so. Wir können sie „real“ nennen – aber auch „Wissen“.


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Alles, was wir untersuchen und worüber wir sprechen können, ist Teil unseres Wissens. Es sollte also sinnvoll sein, genauer zu erforschen, was Wissen ist, was alles zu ihm gehört und so weiter. Auf diese Weise müsste es uns möglich sein, Formen und Gesetze zu entdecken, die die Realität prägen. Und anders herum betrachtet sollten zum Beispiel die Naturgesetze auch Aufschluss über die Natur von Wissen geben können.


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Wenn wir über etwas sprechen oder nachdenken, dann wird es zu einem Etwas, zu einem Ding. Diesen Effekt können wir unmöglich verhindern, also sollten wir diese Tatsache auch nicht ignorieren. Die Welt besteht aus Dingen. Was aber bedeutet das? Was ist das Wesen eines Dinges; wie interagieren Dinge miteinander, wie verbinden sie sich zu immer neuen und komplexeren Dingen? – Fragen wie diese zielen auf etwas ab, das hinter den Dingen liegt oder zwischen ihnen, irgendwie verschieden von ihnen, sie ergänzend – wenn auch unsere Analyse wieder nichts anderes als Dinge freilegen kann.


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Das Sprechen von oder Denken über etwas ist eine Art Reflexion: etwas wird transformiert und erscheint in einem neuen Medium, wo es leichter zu überschauen und zu handhaben ist. Dies könnte nicht klappen, wenn nicht das materielle Ding und sein geistiges Abbild auch irgendwo irgendwie ein und dasselbe wären. In gewisser Hinsicht müssen sie sich einen gemeinsamen Raum teilen.


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Es wäre uns unmöglich über irgendetwas zu sprechen, wenn unser Sprechen nicht auf Verstehen stoßen würde. Irgendjemand muss unsere Worte hören und wissen, was damit zu tun ist. Alle Beteiligten müssen dasselbe Spiel spielen – wenn auch durchaus mit Abweichungen.


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Wahrnehmung und Erkenntnis sind Spiele der Gleichheit und Verschiedenheit, überlappender Sphären und interagierender Dinge. So unterscheidet sich Geistiges nicht von anderen realen Dingen und Ereignissen.


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Unter „geistigen Abbildern materieller Dinge“ stellen wir uns womöglich etwas wie Fotos vor, die von der Wahrnehmung erzeugt werden. Verglichen mit dem Original scheinen sie flach und arm zu sein, ziemlich tot – aber tatsächlich ist auch der Geist und ist alles in ihm lebendig. Der Eindruck armseliger Flachheit entspringt lediglich mangelnder Kongruenz der verschiedenen Lebensräume.


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Im Grunde sprechen wir hier von einem logischen System. Der Rest ist Anwendung – nichts anderes könnte unsere Logik begründen und rechtfertigen.


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Die Unterscheidung zwischen der Realität und dem Wissen von ihr ist ein wichtiger Antrieb, die Stimmigkeit unseres Wissens immer wieder zu hinterfragen. So ist sie ein Motor der Suche nach Wahrheit. Aber sie ist nicht die ganze Wahrheit – was natürlich nicht heißt, dass irgendeine andere Wahrheit die ganze wäre.




Zuhause: Wir wissen

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Wissen ist immer in einen speziellen Kontext eingebettet, vor allem in eine es sich teilende Gemeinschaft. Hier findet es die Form, in der es aufbewahrt und ausgetauscht werden kann. Diese Form allein, ohne den Kontext, wäre sinnlos. Um das Wissen wirklich zu besitzen, müssen wir lernen, mit seinen Formen richtig umzugehen. Wissen kann nur durch seinen Gebrauch erworben werden – und nur in ihm seine Gültigkeit erweisen.


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Wissen gehört zu einer Gemeinschaft, dem „Wir“. Wissen basiert auf einem gemeinsamen Fundament – und konstituiert es. „Wissen“ bedeutet eine Grenze zu ziehen: dort, auf der anderen Seite, ist das Unbekannte, hier, auf dieser Seite, ist das Bekannte, hier sind wir.


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Die Kontextabhängigkeit und Abgrenzung von Wissen auf die Spitze treibend, könnte man sich genötigt fühlen zu sagen, dass jedes Stückchen Wissen, jede Erkenntnis, mit einem eigenen Wir verbunden sei. Aber das klingt natürlich seltsam, weil dieser Begriff, das „Wir“, nicht wirklich mit derartiger Aufspalterei in Einklang zu bringen ist, sondern im Gegenteil zusammenfügt.


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Fortschritt des Wissens bedeutet Erweiterung des Horizontes. Aber um dahin zu kommen, müssen wir die Grenzen kennen. Wir müssen sehen, dass da ein Horizont ist – erst dann können wir wünschen und versuchen, über ihn hinaus zu schauen und zu gehen. Darum ist es so wichtig, Trennlinien zu erkennen, die bislang unsichtbar waren, zu unterscheiden, zu differenzieren. Der erste Schritt zum Wissen ist das Spüren der Lücke.


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Wir gehen Schritt für Schritt. Gestützt auf das, was wir sicher haben, adoptieren wir das Neue. Aber unser Wissen muss nicht wirklich wachsen. Die Integration des Neuen reformiert das Alte. Wissen vereinfacht, wir blicken durch, wo Undurchdringliches den Blick versperrte.


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Wir sprechen hier nicht von einem „Ich“, nicht von „mir“ als dem Akteur und Fokus des Wissens, sondern betonen die Gemeinschaft. Wir sind nicht an die Rolle eines einzelnen isolierten Individuums gebunden, das einfach nicht aus seiner Haut heraus kann. Wir können wachsen – ohne unsere Identität zu verlieren. Und ohne andere verdrängen zu müssen: weil wir integrieren und uns neu strukturieren können.


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Das Wir kann helfen, die Illusion einer irgendwie begrenzten individuellen Existenz aufzuheben. Allerdings sind die traditionellen Erweiterungen, die traditionellen Gemeinschaften, mit denen wir uns aus Gewohnheit indentifizieren, in keiner Weise ausreichend, die wirklich neue Perspektive dieses opuzz zu erfassen.




Weg 1: Wissen besteht

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Stabilität und Beständigkeit sind fundamental für all das, was „Wissen“ genannt werden kann. Egal ob wir etwas untersuchen und beurteilen wollen, das sich in der Vergangenheit ereignet hat, das jetzt geschieht oder auch erst in der Zukunft stattfinden wird, egal ob es weit weg ist oder ganz nah dran: immer brauchen wir feststehende Maße und Gesetze, Dinge, die immer dieselben bleiben und sich nicht verändern. Sichere Tatsachen bilden die Grundlage unseres Wissen.


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Unsere Untersuchung will Ernst machen mit dem Konzept von Wissen als etwas Feststehendem, das sich nicht ändert. Diese Idee, obwohl immer schon stillschweigend im Hintergrund wirksam, ist nie wirklich in voller Konsequenz ausgearbeitet worden. Zu unbequem schienen Schlussfolgerungen zu sein wie die, dass es unendlich viel Platz braucht, alle Fakten für immer unverändert aufzubewahren. Wir haben den Raum des Wissens – wo dies stattfindet – nie als etwas Reales angesehen und deshalb auch noch nie untersucht.


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Wir können Wissen im Gegensatz zu Aktivität bestimmen, als deren Gegenteil. Alle Veränderung ist Aktivität, während Wissen der Rest ist, der immer gleich bleibt. Dies ist sicherlich eine noch recht dürftige Definition, ein erster Ansatz, der weiter entwickelt und ergänzt werden muss.


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Wissen und Aktivität – sie definieren einander, eins bewirkt das andere. Deshalb können sie nur zusammen vorkommen. Wissen könnte nicht beständig sein, wenn es nicht rings umher Veränderung gäbe – und sogar in ihm.


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Wissen kann „eingefrorene Aktivität“ genannt werden. Jede Erkenntnis ist als Ganzes unveränderlich, enthält aber sowas wie innere Veränderungen, nämlich gewisse Unterscheidungen. Wissen wird aus ihnen gebildet, bewahrt sie auf und reproduziert sie bei Bedarf.


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Nichts könnte existieren ohne eine gewisse Beständigkeit. Deshalb können wir vielleicht sagen, dass alles teilhabe am Wissen, oder dass Wissen wesentlicher Bestandteil von allem sei, oder sogar, dass alles Wissen sei. Aber wenn Wissen alles wäre und es nichts anderes gäbe, wäre es natürlich gar nichts.


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Der Unterschied, die Unterscheidung, ist konstituierend für Wissen. So ist Wissen immer irgendwie aufgespreizt. Es hat eine Art Ausdehnung. Das macht den Raum zum natürlichen Produkt des Wissens. Während Wissen sich als die eigentliche Dimension des Raumes erweist.


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Wissen ist eng mit dem Begriff der Materie verbunden. Nicht nur, weil Wissen immer irgendwie materiell repräsentiert ist, sondern auch und vor allem, weil Materie selbst nichts anderes ist als kompaktes Wissen. Sie ist gespeicherte Erfahrung, die immer wieder sich selbst erneuert, indem sie sich vollkommen gesetzmäßig verhält.


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In den Naturwissenschaften spiegelt sich Wissen oft als mathematische Gleichung. Mit ihr wird die Identität von eigentlich verschiedenen Ausdrücken festgestellt. Das ist genau das, was Wissen immer leistet: es schafft Identität. Die Ruhe im Strudel der Vergänglichkeit.




Weg 2: Aktivität verändert

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Aktivität bewegt immer etwas, bewirkt eine Veränderung, macht einen Unterschied. Und hinter jeder Verschiedenheit steckt Aktivität.


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Aktivität ist die notwendige Ergänzung zum Wissen. Dem immer gleich Bleibenden des Wissens steht das Andere gegenüber, die Ungleichheit, Verschiedenheit, Veränderung. Beides gehört zusammen, keins könnte sein ohne das andere.


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Aktivität ist beinahe nichts, beinahe kein Ding. Aktivität ist da, wo die Dinge nicht sind, zwischen ihnen. Sie ist das, was die Dinge erscheinen, sie real werden lässt. Und letztlich muss Aktivität auch selbst ein Ding sein. Alles ist Ding, sonst könnte es nicht wirken – und wir könnten es weder sehen noch denken. Insbesondere wenn wir von (einer Vielzahl voneinander unterscheidbarer) „Aktivitäten“ sprechen, behandeln wir Aktivität genauso wie ein konkretes Ding.


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Aktivität liegt zwischen zwei verschiedenen Zuständen. Sie differenziert – und konstituiert so die Zustände. Sie gehört zu beiden und keinem von beiden. Ohne sie würde es jene nicht geben, doch sie selbst gibt es nicht so wie jene. Sie steht für die trennende Lücke, dient aber auch als direkte Verbindung. So bewirkt sie sowohl Verschiedenheit als auch Gleichheit.


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Aktivität wird gewöhnlich als Funktion der Zeit begriffen. So gesehen hätten wir statt „Aktivität“ auch den Begriff der „Zeit“ als fundamentalen einführen können, insbesondere in Ergänzung zum „Raum“. Wir ziehen hier aber die Aktivität vor: wegen ihrer offenen Nichtlinearität und Diskontinuität.


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Jede Definition ist viel zu eng: Aktivität ist immer noch weiter. Manchmal erscheint Aktivität als eine bestimmte Aktion. Jede Aktion ist mit vielen anderen gekoppelt. Vereinigte Aktionen agieren wie ein Ding ... und so weiter. Da ist immer noch mehr: Aktivität ist mehr.


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Aktivität kann nicht eingefangen werden. Sie reicht über alles hinaus. So ist sie immer zerstreut. Aber auf der anderen Seite ist sie auch stets fokussiert, gerichtet, ein Ziel verfolgend. Es ist nur so, dass einige Ziele bisher weder erreicht noch bekannt sind.


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Aktivität ist ewiges Werden. Sie ist nie fertig, eigentlich ist sie nichts. Manchmal erscheint sie als der ausdehnungslose Punkt, selbst ohne Dimension, aber jede Dimension in sich bergend. Das unendlich Kleine, das die weite Unendlichkeit generiert.




Weg 3: Aktivität erzeugt Wissen

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Aktivität führt einen neuen Zustand herbei, der verschieden vom alten ist. Aktivität macht den Unterschied. Wir könnten nicht von „Aktivität“ sprechen, wenn nicht etwas dabei heraus käme, das vom anderen unterschieden und also erkannt werden kann.


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Aktivität ist nur daran zu erkennen, dass irgendetwas passiert, irgendetwas wird anders. Reine Aktivität wäre nichts. Das, was als Aktivität begriffen und ergriffen werden kann, ist eigentlich schon zu etwas Festem geworden, zu einer Tatsache, zu Wissen.


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Der regelmäßig stattfindende Übergang eines Zustandes in einen anderen wird selbst zu einer Art Zustand. Jeder stabile Zustand geht auf ständig wiederkehrende Aktivität zurück. Ein und dasselbe passiert immer wieder: so entsteht die Stabilität und Sicherheit, die wir „Wissen“ nennen, das ist eine Tatsache.


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Der Fluss der Aktivität währt fort. Er hört nicht auf, sich selbst zu erneuern – und alles andere. Sich ergießend erkaltet er aber, wird steif und dicht. Alles altert. Und schließlich muss es sterben. Doch jenseits des Todes – und sogar in ihm – ist Leben. Die Quelle der Aktivität wird niemals versiegen, denn sie ist immer überall, in jedem Stück von allem.


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Im Gegensatz zum passiven Verstreichen der Zeit ist der Fluss der Aktivität schöpferisch. Während Zeit mit dem tödlich eintönigen Ticken der Uhren assoziiert bleibt, wird Aktivität verstanden als fortlaufende Kreation, Destruktion, Rekreation und so weiter – mit der Chance auf etwas Neues.


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Alle Aktivität erzeugt Wissen. Und da Wissen Bestand hat, heißt das, dass alle Aktivität dauerhaft gepeichert ist. Sie hinterlässt eine Spur im Raum des Wissens. In gewissem Sinne ist sie diese Spur.


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Wissen wird durch Aktivität gewonnen. Diese manifestiert sich, indem sie gewisse Strukturen im Raum des Wissens bildet. Findet die Aktivität regelmäßig und immer wieder statt, verfestigen sich die Strukturen. Bis sie geradezu materiell werden. Materie ist also eine Art gefrorene Aktivität. Sie ist Wissen, das keinen Zweifel kennt, aber auch nicht weiß, dass es weiß. Keine Frage erschüttert und hinterfragt diesen kompakten Körper der Gewissheit normalerweise.


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Aktivität begründet verschiedene Zustände oder Ansichten einer Sache wie auch die Relationen zwischen ihnen. So entsteht Wissen.




Weg 4: Aktivität entspringt Wissen

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Aktivität lässt einen stabilen Zustand in einen anderen übergehen. Diese Zustände bleiben dabei unverändert und können deshalb „Elemente des Wissens“ genannt werden. Sie werden aber nur durch ihr Verhältnis zu anderen bestimmt. Um sich darzustellen, um das zu sein, was sie sind, müssen sie also interagieren. So verursachen sie Aktivität.


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Wissen drückt sich durch Aktivität aus. Und alle Aktivität ist nichts anderes als Ausdruck von etwas, das vielleicht noch unbekannt ist, aber nichtsdestoweniger irgendein Wissen sein muss. Aktivität muss derartige Ursachen haben – aus diesem Grund suchen wir Wissen.


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Wissen hat Bestand wegen seiner beständigen inneren Dynamik. Die ganze Zeit über erklärt und behauptet es etwas, löst das Problem, überquert die Brücke. Es antwortet unaufhörlich und konserviert so die dazugehörige Frage, neigt gar dazu, sie immer und immer wieder aufzuwerfen. Aber die immanente Aktivität ist nicht vollständig kanalisiert und auf diese Weise gefangen, sie kann es nicht sein. Sie fließt über, strebt nach mehr.


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Alles Existierende ist Wissen. Jede Region des Raums ist voll davon – und könnte doch auch „leer“ genannt werden, weil beständiges Wissen nicht ohne sein Gegenteil vorkommt, die alles verändernde, alles negierende Aktivität. Darum mag jeder Punkt im Raum als ständig zwischen „sein oder nicht sein“ vibrierend angesehen werden. Doch es ist ein spezifisches Sein (und Nicht-Sein). So dass sich daraus ein kontinuierlicher gerichteter Fluss ergibt.


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Wissen resultiert aus Aktivität, repräsentiert sie und verursacht sie wieder. Da nun Wissen sich nicht ändert, könnte man meinen, auch die entsprechende Aktivität wäre immer dieselbe. Aber tatsächlich hängt die Wirkung angewandten Wissens von sehr vielen Faktoren ab – und alle sind angewandtes Wissen.


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Alles hat eine spezifische Ausstrahlung, alles ist Quelle eines ununterbrochenen Flusses der Aktivität. Alles sendet ständig die Information, dass es existiert, und wie. Jeder Empfänger dieser Nachricht erhält eine auf ihn zugeschnittene Kopie des Senders – indem er ihn erneut erschafft, indem er ihn vervielfältigt: indem er aktiv wird.


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Die Quelle vollkommen gesetzmäßiger und automatisch erfolgender Aktivität wird normalerweise nicht „Wissen“, sondern „Materie“ genannt. Mit Wissen verbinden wir ein gewisses Maß an Freiheit, Offenheit. Wissen ist sozusagen interaktiv. Es ist die Oberfläche der Körper des Wissens. Aber letztlich kann selbst ihr Inneres nichts anderes sein als Wissen, nur eben kaum explizites, bewusstes.


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Erst Aktivität macht Wissen real. Wissen wäre kein Wissen, wenn es sich nicht in entsprechender Aktivität äußern würde. Mag es auch noch so präzise in einem Buch oder sonstwo festgehalten sein: Wissen ist es nur, wenn jemand, der es weiß, ihm gemäß, also richtig, handelt.




Weg 5: Ein Ding vereinigt

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Dinge sind Schnittpunkte, in denen sich verschiedene Linien treffen. Aktivität findet zwischen diesen Knoten statt. Jedes Ding ist eine Quelle der Aktivität – und ein Ziel, ein Ergebnis, auf das Aktivität hinführt. So gesehen sind Dinge die Elemente des Wissens, Ganzheiten, die unverändert bleiben, während alle Aktivität zwischen ihnen pulsiert.


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Die Welt ist zusammengesetzt aus Dingen. Diese werden durch Aktivität voneinander getrennt, miteinander verbunden und so definiert. Jedes Ding hat seine ganz eigene Art, mit seiner Umwelt zu interagieren. Diese Wechselwirkungen machen seine einzigartige Existenz aus, aus ihnen besteht es. Und nur an ihnen kann es erkannt werden.


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Ein Ding ist eins. Aber wir wüssten nicht, was „eins“ ist, wenn es keine Vielheit gäbe. „Vereinigung“ setzt die Existenz von Teilen voraus. Manchmal schauen wir nur auf diese. Dann ist das Ding ganz und gar nicht einfach, sondern von ausufernder Komplexität. Das ändert jedoch nichts an der entscheidenden Tatsache, dass wir alles zusammen erfassen können – als das eine Ding.


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Ein Ding ist ein wiederkehrendes Aktivitätsmuster. Es ist geschlossen in dem Sinne, dass es Aktivität bindet. Einmal in Gang gesetzt, folgt die Aktivität bestimmten Regeln und kommt immer wieder zurück. So wird Aktivität aufgesogen und eingefangen. – Aber indem sie sich ständig im Kreise dreht, induziert sie auch einen nach außen sich ergießenden Strom.


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Die Einfachheit eines Dinges kann anhand seiner (Inter)aktionen beschrieben werden: dann ist ein Ding das, was als eins agiert. Das heißt nicht notwendigerweise, dass ein Ding eine einzige Aktion sei – obwohl jede bestimmte Aktion eine Art Ding ist – vielmehr dass es immer als dasselbe angesehen wird, egal in welcher Aktion es vorkommt, in welcher Relation zu anderen Dingen.


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Vereinigung ist ein zentrales Phänomen, fundamental sowohl für Erkenntnis als auch jede materielle Existenz. Aber allzu häufig wird sie übersehen oder missverstanden. Sie scheint eher etwas Mystisches zu sein: wissenschaftliches Denken muss analytisch sein und also in die andere Richtung gehen. – Aber keine Analyse kommt ohne vorherige Synthese einfacher Dinge aus.


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In gewissem Sinne ist Vereinigen zu einfach. Es bedarf keiner Arbeit. Es passiert einfach. Es ist wie wenn etwas zu Boden fällt. Wir machen es nicht. So ist es selten der Rede wert.


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Das vereinigte einfache Ding ist eine Art Energieminimum oder Grundzustand. Es erscheint ohne jede Anstrengung – in geeigneter Umgebung. Diese ist allerdings manchmal nur mit viel Aufwand zu erreichen.


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Ein Ding vereinigt mindestens zwei verschiedene Aktivitätsstränge. Jeder einzelne verbindet die beiden Seiten einer Unterscheidung und hält sie auseinander, was durch zwei getrennte Punkte oder die Linie zwischen ihnen dargestellt werden kann. Wenn zwei derartige Differenzierungen interagieren, um eine Einheit zu bilden, spannen sie eine Ebene auf und definieren eine Fläche in ihr. Aber das resultierende Ding ist nicht flach. Seine Spitze verbindet sich wie bei einer Pyramide mit allen Eckpunkten und erhebt sich über der Grundfläche – in eine neue Dimension hinein: als ganz eigenes Ding im eigenen Raum mit eigenen Wechselwirkungen.


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Vereinigen ist aktiv, dynamisch. Ein Ding ist keine statische isolierte Einheit, sondern muss aus zugrunde liegender Vielfalt gespeist werden. Es sammelt die Bestandteile, die es ausmachen, zieht sie an, konzentriert sie - und transformiert sie dabei. Ein beständiger Strom der Aktivität ist auf das Ding gerichtet und ermöglicht ihm so, in Erscheinung zu treten.




Weg 6: Dinge vervielfältigen sich

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Ein Ding existiert nur, wenn es mit etwas anderem, mit seiner Umgebung, interagiert. Jede Interaktion ist ein neues Erscheinen. Nur wenn diese einander gleichen, wenn jedes eine Kopie des anderen ist, können wir von einem „Ding“ sprechen.


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Vervielfältigung erzeugt immer wieder das gleiche Ding – und doch unterscheiden sich die Kopien irgendwie voneinander. Wir können vielleicht sagen, dass Vervielfältigen einen minimalen Unterschied konstituiert, einen, der die Gleichheit nicht zerstört. In gewisser Hinsicht ermöglicht erst dieser elementare Unterschied Gleichheit, denn es bedarf mindestens zweier, um gleich zu sein. Diese müssen sich also voneinander unterscheiden – wenn auch nicht im Wesentlichen.


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Vervielfältigung beinhaltet Differenzierung zwischen verschiedenen Instanzen – und jede Differenzierung impliziert Reproduktion, insofern als zwei voneinander verschiedene Dinge immer auch als verschiedene Erscheinungen ein und desselben beschrieben werden können.


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Reproduktion heißt: Bewegung eines Dinges in eine neue Situation, zu einem neuen Ort, auf einen neuen Punkt oder in einen neuen Augenblick. Daneben bedarf es aber auch einer gewissen Konstanz, eines konstanten Rahmens oder Flusses zum Beispiel. Immer ist beides nötig: das neue Exemplar – und kontinuierlicher Fortschritt, fortschreitende Kontinuität. Beide entwickeln sich auf ihre Weise: das Ding vervielfältigt sich, während das Kontinuum – der Raum – sich erstreckt.


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Die Vervielfältigung eines Dinges ist beinahe so etwas wie die Umkehrung der Vereinigung, die das Ding konstituiert. Dennoch unterscheiden sich diese Prozesse nicht nur in der Richtung. Vereinigen sammelt und verschmilzt verschiedenartige Dinge, wohingegen Vervielfältigen identische Dinge erzeugt.


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Jeder Prozess kann als fortlaufende Reproduktion von etwas beschrieben werden. Es ist eine Frage der Definition des geeigneten Dinges. Oder, was das gleiche ist, des passenden Raumes, so dass jede Änderung eine Art Bewegung darstellt, eine Verschiebung entlang den Dimensionen dieses Raumes.


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Es mag manchmal angebracht sein, zwischen dem Ding und seinen Erscheinungen zu unterscheiden. Das Ding ist dann vielleicht so etwas wie ein Prototyp, ein Vorbild, eine Idee. Aber bei genauerem Hinsehen bekommt das Ding selbst viele Fassetten, es wird immer komplexer. Jedes Hinsehen stellt ein neues Erscheinen dar – und fügt gleichzeitig dem Ding etwas Neues hinzu. Wir können entweder die Gleichheit und Einheit der Erscheinungen des Dinges in den Vordergrund stellen, oder die Verschiedenheit seiner Wirkungen und Ansichten. Beides ist immer irgendwie vorhanden.


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Jede Erscheinung eines Dinges kann immer auch als ein ganz eigenes Ding gesehen werden. Wie andererseits verschiedene Dinge als im Grunde gleich, als verschiedene Erscheinungen eines all diese Dinge in sich vereinigenden Dinges verstanden werden können.




Weg 7: Dinge erscheinen in ihren Räumen

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Indem ein Ding wiederholt in Erscheinung tritt, spannt es einen Raum auf. Dieser Raum ist eng verbunden mit dem Ding und kann als dessen Ausstrahlung angesehen werden – oder andersherum als die Umgebung, die geeignet ist, es hevorzubringen. Er ist erfüllt mit vibrierender Aktivität, die die Botschaft des Seins des Dinges verbreitet und es so in Erscheinung treten lässt.


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In gewisser Hinsicht ist der Raum das Ding und das Ding der Raum. Beides sind verschiedene Aspekte desselben. Sie erfüllen verschiedene Funktionen. Während das Ding zusammenfasst, breitet der Raum sich aus und ist deshalb eher ungreifbar. Er zeigt sich eigentlich nur in der Erscheinung des Dinges. Doch ohne diese Erscheinung – und also ohne den diese ermöglichenden Raum – wäre das Ding nichts.


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Raum ist ein Produkt der Reproduktion und das Medium, in dem sie stattfindet. So ist er auch das Medium der Unterscheidung. Er entsteht aus dem Zusammentreffen verschiedener Erscheinungen eines Dinges. Er ist die Summe ihrer Orte. Diese Orte sind irgendwie voneinander unterschieden. Nur deshalb können wir zwischen den verschiedenen Erscheinungen differenzieren. Irgendeine Art von Raum ist immer die Ursache oder Basis einer jeden Differenzierung.


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Raum ist Potenzialität. Er ist die passende Umgebung für das Erscheinen eines bestimmten Dinges. Manchmal kann er auch als dessen Ursache angesehen werden. Oder als Repräsentant oder Inbegriff all der Gesetze, die das Sein und Verhalten des Dinges lenken.


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Raum ist spezifisch: er lässt nur verschiedene Instanzen ein und desselben Dinges erscheinen. Dies ist eine extrem enge Einschränkung. Dennoch bleibt ein Rest Freiheit, der seinen Audruck findet in der Differenzierung zwischen dem Ding und seinem Raum – und in der zwischen verschiedenen Exemplaren, was letztlich doch Spielraum für Variationen lässt.


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Wie verschiedene Ansichten eines Dinges eine Oberfläche formen, so kann der Raum dazwischen als das entsprechende Innere angesehen werden. Während das Ding die Erscheinungen zusammen hält, hält Raum sie auseinander. Raum dehnt aus. So stellt er eine Art Bewegung dar – die über alle Erscheinungen, deren (Wieder-)Herstellung sie ständig aufs Neue anregt, hinaus reicht.




Weg 8: Räume sind unendlich

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Der Raum hat weder Anfang noch Ende, und er besitzt auch keinerlei Begrenzungen. Man kann ihn nicht betreten und findet keinen Ausgang. Nichts kann herein oder hinaus. Es gibt kein Innen und kein Außen.


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Da Raum kein Außen hat, muss er das ganze Universum sein. Alles existiert hier – oder es existiert nicht. Darum akzeptieren wir gewöhnlich nur einen einzigen allumfassenden Raum.


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Unterschiedliche Erscheinungen eines Dinges nehmen verschiedene Plätze ein. Der Raum eines Dinges ist die Gesamtheit all seiner möglichen Plätze. So ist er ein endloses Kontinuum einzelner Orte – und nichts anderes. Es gibt keinen fremden Raum zwischen diesen Orten, keine Lücke, keine innere Grenze. Wenn zwischen zwei Plätzen Raum ist, dann ist er gefüllt mit anderen, die zwar leer sein mögen, aber dennoch Plätze bleiben, bereit für entsprechende Erscheinungen.


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Als Zwischenraum zwischen verschiedenen Erscheinungen ist Raum das, was diese nicht sind, ihre Negation. Aber sie brauchen ihn, denn ohne diese Brüche wären einzelne Exemplare unmöglich. Und er ist spezifisch, geformt von dem Ding – und ihm seine Form gebend. Auf diese Weise entsteht ein Prozess fortwährender Reproduktion. Er ist endlos, weil er nichts anderes erzeugt, insbesondere keine Begrenzungen seiner selbst.


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Ein Ding ist das verwirklichte Potenzial seines Raums – während der Raum das zu reiner Potenzialität erhobene Ding ist. Beide rufen einander hervor und wechseln sich so ab. Auf diese Weise vervielfältigt sich das Ding – und der Raum erstreckt sich in die Unendlichkeit.


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Der Raum zwischen den Seiten eines Dinges, sein Inneres, wird manchmal als geschlossene Kammer gesehen, die abgeschnitten ist von jedem Kontakt nach draußen. So wird das Herz von allem zu einem schwarzen Kasten. Aber letztlich ist das auch nur eine weitere Seite, der eine unendliche Anzahl weiterer folgen kann. So ist das wahre Herz aller Dinge hell strahlender offener Raum.




Weg 9: Räume durchdringen einander

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Koexistenz mehrerer endloser Räume wäre nicht ohne gegenseitige Durchdringung möglich. Nur so lässt sich die Vielfalt der Dinge wahren und der Reichtum des Wissens – das dennoch Bestand haben kann.


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Wechselseitige Durchdringung meint, dass gleichzeitiges Bewegen in mehreren Räumen möglich ist. Jede Bewegung beinhaltet das, ja, Bewegung kann sogar grundsätzlich als Übergang von einem Raum in einen anderen beschrieben werden. Wobei keiner wirklich betreten oder verlassen wird. Es handelt sich eher um einen Wechsel der Perspektive, des Blickwinkels.


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Durchdringung ermöglicht eine Vermischung der Räume derart, dass ein neuer daraus hervorgeht. Dieser mag zwar viel mit einigen anderen gemeinsam haben, so dass die dazugehörigen Dinge einander ähneln – dennoch wird er immer irgendwelche Besonderheiten aufweisen, die ihn zu einem einzigartigen Raum mit einer eigenen Art von Ding machen.


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Jede Kombination von Räumen stellt einen eigenen Raum, also die Gesamtheit aller möglichen Plätze eines bestimmten Dinges, dar. Dann ist alles, was dort in Erscheinung tritt, nur eine Kopie immer desselben. So reduzieren sich alle Unterschiede letztlich auf solche zwischen verschiedenen Orten.


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Die perfekte Gleichheit vervielfältigter Dinge und die Reinheit ihrer Räume bedarf der ergänzenden Durchdringung. Auf diese Weise können verschiedene Vervielfältigungsprozesse zusammen wirken und Variationen herbeiführen, die anders nicht möglich wären. So kann ein neues Ding unterschiedliche Ströme von Aktivität vereinigen. Es tritt deutlich hervor und der Fokus wandert in seinen Raum.


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Ohne Durchdringung gäbe es keine Vereinigung. Jede Überlagerung verschiedener Räume erzeugt einen neuen Raum – und entspricht somit der Vereinigung verschiedener Teile zu einem Ding, eben dem Ding, dessen Raum jene Überlagerung ist.


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Ohne Durchdringung gäbe es keine Vervielfältigung. Jedes Erscheinen eines Dinges erfolgt in einer neuen Umgebung, ist gebunden an Interaktionen mit anderen Dingen, deren Räume sich dabei durchdringen und überlagern.


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Die Vermischung verschiedener sich durchdringender Räume kann zu einem vollkommen neuen Raum führen. Auf diese Weise entsteht ein neues Ding. Sehr häufig jedoch bleibt das Ding ein und dasselbe und es wird nichts weiter erzeugt als eine neue Instanz oder ein neuer Zustand. Wobei dann auch der Raum derselbe bleibt, mit leichten Variierungen nur, die interne Differenzierungen ermöglichen – dank überlagernder anderer Räume.




Weg 10: Alle Räume bilden den Raum des Wissens

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Die Überlagerung verschiedener Räume ist selbst ein Raum – also auch die Vereinigung aller Räume. Wir nennen diesen allumfassenden gewöhnlich den „Raum des Wissens“, aber er vereinigt in sich ebenso alle Dinge und alle Aktivität.


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Weil jeder Raum unendlich ist und also der eine einzige Raum, ist jeder Raum ein – oder der – Raum des Wissens. Er kann also auch als Überlagerung unendlich vieler Räume angesehen werden. Letztere erscheinen dann aber als partielle. Das Wissen, dass in ihnen darstellbar ist, kann nur unvollkommen sein, wogegen das Wissen des Raums des Wissens für vollkommen gehalten wird.


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Der Raum des Wissens kann alle anderen Räume enthalten, weil er verallgemeinert. Deshalb ist das in ihm vorkommende Ding die allgemeinste Form aller Dinge, deren bloßes Gerippe. Doch gewöhnlich trägt es Kleidung; es erscheint in allen möglichen Gestalten. Es manifestiert sich in jedem Ding. Wodurch es nicht wirklich nur ein einziges sich vervielfältigendes Ding zu sein scheint.


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Der alles umgebende und durchdringende Raum ist ein Raum des Wissens, weil er nicht nur alle materiellen Dinge umfasst, sondern auch deren geistige Widerspiegelungen – ebenso wie den Akt des Erkennens, seine Beschreibung, Analyse, Regeln und so weiter...


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Der Raum des Wissens hat viele Dimensionen, er erlaubt und umfasst alle denkbaren Differenzierungen. Aber zuguterletzt ist alles eine einzige. Alles, was eine Ausdehnung hat, also eine gewisse Distanz überbrückt und so aufrecht erhält, ist verfestigte Akivität, ist Wissen. So gibt Wissen sowohl Maß als auch Richtung vor. Es ist die Verallgemeinerung des Begriffs der „Dimension“ – und kann die „vierte“ genannt werden.


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Wir unterscheiden den Raum des Wissens von jedem anderen, partiellen, Raum. Aber wir wissen auch, dass wir, wenn wir auf irgendeinen anderen fokussiert wären und ihn dann untersuchten, ihn nicht als partiellen empfänden. Er wäre ebenso vollständig wie unser Raum des Wissens, alle Erscheinungen in ihm wären solche des allgemeinsten Dinges (in Verkleidung) und so weiter – aber wir sprächen und dächten über ihn nicht so, wie wir es hier tun, alles würde anders klingen und aussehen.


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Der Raum des Wissens umfasst auch den dreidimensionalen Raum, in dem sich Körper verdrängen statt zu durchdringen. Dessen Natur schließt alle anderen aus, verbannt sie in ein Nirgendwo. Von wo aus sie Angst und Schrecken verbreiten. Wie auch die erlösende Verheißung. Beides muss seinen Platz finden.




Weg 11: Der Raum des Wissens ist strukturiert

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Im Raum des Wissens gibt es keine vollständig abgrenzbaren Regionen oder Unterräume. Aber immer und überall eine mehr oder weniger deutliche Struktur. Die Dinge sind auf ganz bestimmte Art und Weise durch Aktivität miteinander verbunden und angeordnet. Diese Ordnung ist Ausdruck des Wissens.


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Wenn wir die Struktur einer Region des Raums des Wissens erkennen, dann wird diese Struktur zu einem Ding. Auf diese Weise können wir eine Art Hierarchie errichten: immer mehr Regionen fassen wir über entsprechende Zwischenschritte in immer weniger Dingen zusammen. Dies ist durchaus eine mögliche Struktur ausgewählter Bereiche des Wissens. Und natürlich werden wir, wenn wir uns auf sie fokussieren, sie überall finden und deshalb geneigt sein, sie zu verabsolutieren.


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Der Raum des Wissens ist nicht homogen, denn er umfasst alle anderen Räume. Diese werden jeweils durch eine spezielle Struktur repräsentiert, die so beschaffen ist, dass sie die entsprechende Art Ding aufnehmen, erzeugen oder formen kann.


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Unterschiedliche Strukturen des Raumes haben unterschiedliche Auswirkungen auf die Dinge: so gibt es alle Arten von Anziehung und Abstoßung in allen Ausprägungen. Andererseits sind es eben die Dinge, die den Raum strukturieren. Auf diese Weise findet gegenseitige Beeinflussung statt, kontinuierliche Wechselwirkung zwischen dem Raum und den Dingen.


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Wissen ist Struktur im Raum, in einem extrem allgemeinen, dem allgemeinsten, dem, der „der Raum des Wissens“ heißt. „Struktur“ bedeutet, dass zwischen benachbarten Regionen Unterschiede bestehen, dass sich für das, was sich dort bewegt, etwas verändert. Alles bewegt sich auf diese Art, den Linien des Wissens folgend – und neue ziehend.


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Natürlich implizieren wir, wenn wir vom „Raum des Wissens“ sprechen, schon so etwas wie eine einheitliche Struktur, letztlich Homogenität. Deshalb muss er über sich hinaus wachsen. Nur so kann er der strukturierte Raum des Wissens bleiben.




Weg 12: Der Raum des Wissens enthält sich selbst

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Der Raum des Wissens enthält alles. Er ist das ganze Universum – und doch weit davon entfernt, vollkommen zu sein. Immer wird noch Unbekanntes bleiben. Das ist kein Fehler, sondern die Natur von Wissen und Aktivität, von den Dingen und dem alles umfassenden und alles durchdringenden Raum.


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Immer wieder werden wir feststellen, dass unser bisheriges Wissen unzureichend gewesen ist. Wir werden neue Regionen des Raums des Wissen erforschen und besiedeln. Und es wird so aussehen, als ob all das, was wir bisher für das Ganze gehalten haben, nur ein begrenzter Ausschnitt gewesen wäre.


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Sich selbst zu enthalten, ist wesentlich für den Raum eines jeden Dinges. So ist trotz aller Veränderungen, Entwicklungen und trotz allen Wachstums Erhalt der Identität des Dinges möglich. Immer dasselbe zu bleiben, setzt die Existenz eines höheren oder weiteren oder allgemeineren Selbstes voraus, einer (durch den Raum repräsentierten) Identität, die alle vorherigen und alle möglichen Modifikationen umfasst.


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Das Sich-selbst-Enthalten lässt den Raum des Wissens expandieren: immer weiter wird er, immer wieder wird das, was das All war, zu einer Region in sich selbst. Aber dabei schrumpft es auch, denn diese partielle Region ist nicht länger der grenzenlose Raum. Alles in allem kann der Raum des Wissens nicht wachsen.


weg12-05

Der Raum des Wissens enthält sich ständig selbst. Darum expandiert und kontraktiert er ständig – nicht nur als ganzer, sondern auch in seinen kleinsten Regionen. Er hört nicht auf, zwischen zerstreuendem Raum und zusammenziehendem Ding zu oszillieren. So ist er reine Aktivität.


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Im Raum des Wissens ist selbst die kleinste Region irgendwie das Ganze. Tatsächlich gibt es gar keine abgetrennten Regionen. Kein Teil ist wirklich isoliert. Das Eintauchen in irgendein winziges Detail kann die ganze Geschichte offenbaren. Aber jedes führt auf einen anderen Weg – und so ist auch die Geschichte jedesmal eine andere.


weg12-07

Der Raum des Wissens ist das allgemeinste physikalische Feld. Alle Aktivität ist durch die Struktur des Raums vollständig definiert. Jede Bewegung und jede Veränderung leiten sich aus dem aktuellen Zustand ab, sie sind lokal bestimmbar, berechenbar und also vorhersagbar – obwohl das ganze Feld Einfluss ausübt und seinerseits beeinflusst wird. Denn jede unendlich kleine Region ist ein komprimiertes Univerum, das sich in die Unendlichkeit ausdehnt.


weg12-08

Im Verlauf unserer Untersuchungen wird der Raum des Wissens immer konkreter, zu einem immer besser verstandenen Ding. Der Raum dieses Dinges muss aber selbst wieder „Raum des Wissens“ genannt werden ...




Einkehr: Der Sinn allen Seins ist Liebe

einkehr-01

Unfähig das Eigene je zu verlassen oder zu verlieren, ist doch nichts allein. Alles ist erreichbar. Die den ganzen Raum durchmessende und erleuchtende Erkenntnis ist nichts anderes als das Herz der Dinge, die Aktivität, die sie erschafft, erhält und wieder aufnimmt im Ganzen. Sie könnte „Liebe“ genannt werden.


einkehr-02

In diesem Sinn ist Liebe nichts was gefordert oder festgesetzt werden kann, sondern einfach nur entdeckt. Sie ist (all)gegenwärtig. Sie ist die Essenz des Lebens und des Wissens. Mehr ist darüber nicht zu sagen. Doch alles was wir sagen ist Ausdruck der Suche nach ihr – die wir nie verlieren können. Selbst unser Reden kann sie nicht vertreiben.


einkehr-03

Es ist die Liebe, die alles erhält. Sie gibt Existenz und Identität. Geliebt zu werden bedeutet, erkannt zu werden, nicht vergessen. Es bedeutet, geschaffen zu werden durch jemandes Wille und Wahrnehmung. Zu lieben bedeutet, an dem Traum festzuhalten, dass das Beste wirklich ist – und es so zu verwirklichen.


einkehr-04

Alles erhält seine Bedeutung von den Interaktionen mit anderem. Nichts könnte alleine existieren. Deshalb ist es dringlichstes und zugleich höchstes Anliegen von allem, nicht aufzuhören zu interagieren.


einkehr-05

Alles ist nichts als Licht. Es ist vibrierende Aktivität ebenso wie erhellendes Wissen. Sein tiefster Sinn offenbart sich durch Abwenden von verdunkelnder erstarrender Vereinzelung – zurück zu ewig neuem Entstehen.


einkehr-06

Zu leben heißt, Erfahrungen zu machen. Jede Erfahrung zeigt eine andere Seite unseres eigenen Körpers des Wissens. So finden wir uns selbst. Zu lieben heißt, das zu akzeptieren. Sich für sich zu öffnen.




Unterwegs

unterwegs-07-01-25-0

Der Begriff der Dimension

Der Begriff der Dimension ist sehr vielschichtig und wird keineswegs in immer gleicher Weise gebraucht. Häufig besteht ein Zusammenhang zu Messvorgängen, etwa wenn mit den „Dimensionen eines Objektes“ seine Abmessungen gemeint sind.

Ausgehend von dieser Definition kommen wir – durch Abstraktion vom einzelnen konkreten Objekt – zum Begriff der Dimension als Maßeinheit. Oder auch als Gesamtheit aller möglichen Werte einer Messung.

Verallgemeinernd können wir sagen, dass nicht nur Messungen, sondern alle Arten von Differenzierungen in einer jeweils spezifischen Dimension stattfinden. Diese Dimension wird dann durch die Menge der gleichartigen Unterscheidungen konstituiert und liefert ihrerseits den Rahmen, in dem jene vorgenommen werden können.

Wir reden hier im opuzz vom „Raum“ in dem zwischen einzelnen Erscheinungen oder Instanzen eines Dinges differenziert werden kann. Auf diese Weise führt der Begriff der Dimension zu unserem Begriff des Raumes.


unterwegs-07-03-11-0

Die Dimensionen des Raums

In der Geometrie wie auch der Physik kennen wir die drei Dimensionen des Raumes. Sie gleichen einander insofern als sie mit der gleichen Art von Differenzierung verknüpft sind: alle drei sind Dimensionen der Länge oder, wie wir auch sagen können, der Entfernung oder der Ausdehnung.

Ausdehnung in einer Dimension wird häufig durch eine gerade Linie repräsentiert. Den anderen Dimensionen entsprechen dann Linien, die mit der ersten und untereinander jeweils einen rechten Winkel bilden. Der rechte Winkel definiert die Senkrechte, die sich zu keiner Seite neigt. Sie hat keine Ausdehnung in einer der Dimensionen, zu denen sie senkrecht ist. So ist sie unabhängig von diesen und eben deshalb eine ganz eigene Dimension.

Auf diese Weise sind im mathematisch-physikalischen Raum genau drei Dimensionen voneinander zu unterscheiden. Sie werden gewöhnlich durch die drei Achsen eines räumlichen Koordinatensystems dargestellt. Eine vierte Achse hat darin keinen Platz; keine könnte senkrecht auf allen drei anderen stehen und so unabhängig von ihnen sein; jede Gerade im Raum erstreckt sich in mindestens eine der bereits bekannten Dimensionen des Raums.

Wir brauchen auch nicht mehr: mit Hilfe der drei Raumdimensionen können alle statischen räumlichen Verhältnisse exakt beschrieben werden. Der abstrakte geometrische Raum ist nichts anderes als die Gesamtheit aller durch die entsprechenden drei Koordinaten eindeutig bestimmbaren Punkte oder Orte.


unterwegs-07-03-14-0

Zeit-Dimension

Raum taucht in der Mechanik als Rahmen für Bewegungen auf. Nur weil er selbst starr ist, kann er als objektiver Maßstab für alles Bewegliche gelten.

Doch zur Beschreibung von Bewegungen bedarf es noch eines weiteren Maßstabes. Die Entwicklung der Mechanik wurde entscheidend beeinflusst durch die zunehmende Verfügbarkeit und Vergleichbarkeit von Zeitmessgeräten, den Uhren, und einen damit sich etablierenden modernen Zeitbegriff. So konnte Zeit als physikalische Größe in unsere Berechnungen und Theorien eingehen. Sie wurde zur Dimension.

Tatsächlich bekam die Zeit im Zuge dieser Entwicklung immer mehr Ähnlichkeit mit dem Raum und seinen Dimensionen. Auch sie wurde zum starren Rahmen, in dem Ereignisse sozusagen „lokalisiert“ werden können. Und sie wurde zu einer Linie, auf der alle möglichen Zeitspannen als Strecken abgesteckt werden. Von der linearen Skala war der Weg nicht weit zur Koordinatenachse. So trat sie den räumlichen Koordinaten und den durch diese repräsentierten Dimensionen als gleichberechtigt gegenüber.

Schließlich war sie ihnen so weit angeglichen, dass sie eine von ihnen wurde...


unterwegs-07-03-18-0

Die Vorstellung einer vierten Dimension

Zeit spielt in der Physik im Zusammenhang mit Prozessen eine Rolle. Sie bereichert das statische System aus drei Dimensionen um eine dynamische Komponente. So sprengt sie dessen Rahmen und gibt den Blick frei auf ein erweitertes Modell, das „vierdimensional“ genannt werden könnte. Folgende Betrachtungen sollen andeuten, was damit gemeint ist:

Ebene Bilder können nur flache Widerspiegelungen des Raums und seiner Objekte sein. Lineare Projektionen von zweidimensionalen Flächen mögen deren Berechnung erleichtern, doch ihre ganze Wirklichkeit werden sie nie erfassen. Und genauso muss es sich mit den dreidimensionalen Körpern verhalten: sie sind nichts als einseitige Abbilder zugrundeliegender vierdimensionaler Gebilde und deren Anordnung im entsprechenden Raum.

Aber vielleicht sollten wir besser statt „einseitig“ „einräumlich“ sagen. Der entscheidende Punkt ist nämlich, dass von einer unendlichen Anzahl dreidimensionaler Räume ausgegangen werden muss, wenn eine zusätzliche vierte Dimension ins Auge gefasst wird.

Dies mag zunächst befremden, sind wir doch eher gewohnt, etwa von verschiedenen, im Laufe der Zeit sich zeigenden, „Zuständen“ des einen Raums zu sprechen, als von verschiedenen „Räumen“ (in dieser universellen Bedeutung); wir wüssten kaum, wie solche voneinander zu unterscheiden wären.

Doch auch in Bezug auf den vermeintlich dreidimensionalen Raum wird oft von den „Ebenen“, aus denen er bestehe, gesprochen, obwohl diese in keiner Weise handgreiflich sind oder von vornherein eindeutig definiert. Wir können sie aber definieren – mit Hilfe der Dimensionen. Denn genau dafür haben wir sie. Eine Dimension ist gleichsam der Inbegriff aller möglichen gleichartigen Differenzierungen.

Folgerichtig erscheint Dimension als zusammengesetzt aus unendlich kleinen Intervallen. Wenn wir uns entlang einer Dimension des Raumes bewegen, dann ist es, als durchquerten wir dabei eine winzig dünne Scheibe nach der anderen. Und ganz ähnlich ist durch die Allgegenwart der Uhren der Eindruck entstanden, als wanderten wir ständig von einem Zeitpunkt zum nächsten – was jeweils nicht nur uns betrifft, sondern gleichzeitig alles, den (oder eben einen) ganzen Raum.


unterwegs-07-03-22-0

Wissen, die vierte Dimension

Die vorangegangenen Betrachtungen der Zeit haben uns einen Eindruck davon vermittelt, was eine vierte Dimension sein könnte. Das heißt aber nicht, dass Zeit für diese Rolle besonders gut geeignet wäre.

Der Begriff der Zeit ist nicht beliebig dehnbar. Die Deformationen, die er durchmachen müsste, um als echte Dimension durchzugehen, würden ihn für den Normalgebrauch nahezu unbrauchbar machen.

Brauchen wir denn überhaupt eine vierte Dimension? – Nun, in gewisser Weise ist sie das eigentliche Anliegen jeder Art von Wissenschaft, ja jeder Suche nach Wissen. Es geht dabei nämlich immer um die Erkenntnis größerer Zusammenhänge, wie eins mit dem anderen zusammenhängt und eins aus dem anderen folgt. Es geht um den Ablauf von Prozessen, aber auch um wechselseitige Beziehungen, die nicht als zeitliches Aufeinanderfolgen beschrieben werden können und dennoch große Gesetzmäßigkeit aufweisen. Es geht, kurz gesagt, um vierdimensionale Entitäten.

Bei unserem Streben nach Erkenntnis gehen wir also eigentlich immer schon von der Existenz einer vierdimensionalen Realität aus. Nur nannten wir das, was wir dabei suchten, bisher „Wissen“.

Dabei können wir auch bleiben. Dennoch mag es sinnvoll sein, sich klar zu machen, dass es sich um eine Suche im vierdimensionalen Raum handelt. Dies könnte uns ermuntern, dessen Topologie und Dynamik zu studieren und so die Suche effektiver zu gestalten.

Das ist übrigens genau das, worum es in der Logik immer schon geht – und eben auch in diesem opuzz, der Untersuchung des Raums des Wissens.


unterwegs-07-03-25-0

Die Frage der Realität

Der Raum des Wissens ist die Erweiterung des dreidimensionalen Raums, weil er alle möglichen Zustände aller möglichen Objekte beinhaltet.

Dieser Sprung mag als zu gewaltig erscheinen. Aber letztendlich ist er nötig. Der Begriff des Raums verlangt nach einem hohen Maß an Verallgemeinerung. Eben weil er der Rahmen für alles ist.

Meist sind jedoch speziellere Räume gefragt. So etwa in der Mechanik, wo wir an Bewegungen von Objekten interessiert sind. Andere mögliche Prozesse und Beziehungen werden dann ausgeklammert – was durchaus sinnvoll ist, um überhaupt etwas im Detail zu verstehen. Vereinfachung ist unentbehrlich für jede Art von Wissen. (Als Vereinigung durch das Ding spielt sie deshalb eine Hauptrolle im opuzz.)

Doch noch eine andere Art von Einschränkung scheint für uns unentbehrlich zu sein. Gerade wenn es um Naturwissenschaften geht, interessieren uns weniger irgendwelche imaginären Möglichkeiten als vielmehr die Realität. Das, was wirklich passiert, darum geht es uns, das wollen wir wissen, berechnen, vorhersagen.

Das macht auch die Faszination von Zeit aus: dass sie nicht nur eine Messgrösse oder eine Variable in unseren Berechnungen ist, sondern auch und vor allem das, was immer genau jetzt ist. Und ähnlich sind die Objekte des Raums das, was wir anfassen können, was uns wirklich körperlich berührt. Wir sind mitten unter ihnen, wir selbst sind Bestandteil des Raums; wir sind das Hier und das Jetzt.

Damit sind wir ganz nah dem Kern der Realität. Von dem sich unser Wissen, auch in den Naturwissenschaften, zwangsläufig immer wieder ein Stück weit entfernen muss. Wir verlangen aber, dass alle Theorie und alle Forschung Auswirkungen auf unser Leben habe. Es muss mit unserer leiblichen Existenz zu tun haben. Möglichst direkt. Es muss erfahrbar sein.

Doch das Spektrum unserer Erfahrungen ist weiter als uns je klar sein kann. Letztlich haben all unsere Fragen mit uns zu tun – und also mit der Realität.

Und natürlich sind auch unsere Körper grundsätzlich vierdimensional. Was, nebenbei, ein guter Grund ist dafür, in diesem opuzz von „uns“ zu sprechen (statt von „mir“).


unterwegs-07-03-27-0

Vierdimensionale Körper

Werfen wir einmal einen Blick auf vierdimensionale Körper. Ausgehend von der Zeit sahen wir, was Ausdehnung in der vierten Dimension ist: eine Serie von Zuständen. Um aber als vierdimensionales Objekt gelten zu können, müssen diese Zustände einen gewissen inneren Zusammenhalt aufweisen, eine Art Identität. Deshalb heißt es im opuzz, dass sie verschiedene Erscheinungen ein und desselben Dinges sind.

Natürlich müssen die verschiedenen Zustände oder Erscheinungen nicht vollkommen identisch sein – tatsächlich können sie das gar nicht, weil sie voneinander unterscheidbar sind. Sie können sogar ganz erheblich voneinander abweichen. Das kann soweit gehen, dass der innere Zusammenhalt völlig im Dunkeln bleibt, und wir nur verschiedene Objekte wahrnehmen ohne zu erkennen, dass sie zusammen gehören. Es ist alles eine Frage der Sichtweise. Oder, um im Kontext zu bleiben, eine Frage des Wissens.

Ausdehnung in der vierten Dimension erlaubt ein Maß an Verbundenheit und Zusammenhalt, das sonst unmöglich wäre. Dinge können sich treffen und ein Ding bilden. Und ein einzelnes Ding kann sich verzweigen und in entfernteste Regionen ragen. Es ist die Aufgabe des Wissens, diese verborgenen Verbindungen und Identitäten zu beschreiben, zu erinnern und handhabbar zu machen. Wir wollen sie in den Griff bekommen, um sie zu benutzen. Also brauchen wir eine direkte Verbindung – und wir haben sie. Wir haben Wissen, wo all dieses Vereinigen und Vervielfältigen stattfindet, es ist Teil von uns. Oder vielleicht sollten wir sagen, dass wir Teil von ihm sind: wir leben im Raum des Wissens.

Es ist doch so: wie es keinen ausdehnungslosen Punkt gibt und keine Linie ohne irgendeine Breite und keine Scheibe ganz ohne Dicke, so gibt es auch keinen Körper ohne Teilhabe an der vierten Dimension.


unterwegs-07-03-30-0

Im Wissen

Wenn wir versuchen, ins Innere fester Körper zu schauen, sehen wir selten viel. Alles was wir sehen ist Oberfläche.

Wie steht's dann aber mit vierdimensionalen Körpern? Haben auch sie sichtbare Oberflächen – und Verborgenes im Innern? Wenn ja, können sie dann wirklich Wissen sein?

Das können sie tatsächlich. Weil Wissen nicht immer gewusst wird. Wir können es entdecken, und wir können es vergessen. Aber das scheint eher etwas Subjektives zu sein. Objektives Wissen muss doch wohl bleiben, was es ist, und kann nicht wirklich verloren gehen.

Doch andererseits gibt es auch soetwas wie eine grundsätzliche Dynamik. Darum ist beides richtig: Wissen besteht – und alles ändert sich. Dies ist nur scheinbar paradox. Es ist einfach nur von verschiedenen Standpunkten aus gesehen. Verschiedene Perspektiven aber sind geradezu essenziell für Wissen.

Um es auf den Punkt zu bringen: im Raum des Wissens gibt es keine dimensionslosen, also ausdehnungslosen, Dinge. Jede winzig kleine Tatsache oder Information oder was immer muss ein vierdimensionaler Körper sein. Mit Ausdehnung in der Dimension des Wissens. Er überbrückt etwas, es gibt immer eine Art inneren Abststandes, einen eingebauten Unterschied. Ohne Unterscheidung kein Wissen. Jede Tatsache stellt verschiedene Zustände fest – und die entsprechenden Bewegungen, die Übergänge.

Wir bewegen uns also, wenn wir wissen. Und nicht nur wir, alles bewegt sich. Zwischen verschiedenen Zuständen, die verschiedene Ansichten darstellen. Wenn es ein Etwas gibt, dann auch verschiedene Ansichten desselben. Weil es eine Oberfläche hat, die in verschiedene Richtungen zeigt und aus diesen verschiedenen Richtungen zu sehen ist.

Wollen wir aber in ein Ding hineinsehen, seine innere Struktur und seinen Bauplan erforschen, müssen wir einiges mehr ändern. Analysieren bedeutet, die Oberfläche zu vergrößern. So wird das Ding porös und zerfällt gar in Teile. Dass wir trotzdem weiterhin vom selben, nur eben „analysierten“ Ding sprechen können, liegt daran, dass wir es wissen, also die Verbindung kennen. So können wir Licht ins Dunkel bringen.

Umgekehrt verdunkeln wir bei dem Versuch, immer mehr Wissen anzuhäufen, vieles wieder. Wir verlieren es, finden es nicht wieder, wir vergessen. Was nicht schlecht sein muss: es kann sich auch um den natürlichen Vorgang des Erzeugens neuer einfacher vierdimensionaler Objekte handeln – mit einem festen Kern, auf den wir uns verlassen können, ohne zu fragen, ohne endloses zerfaserndes Nachdenken.


unterwegs-07-04-24-0

Mehr oder weniger frei

Das Vorhandensein einer vierten Dimension hat überhaupt nichts Mysteriöses, wenn wir sie aus den verschiedenen Zuständen des Universums und seiner Objekte rekonstruieren. Dass diese Zustände irgendwie miteinander verbunden sind, ist etwas, das wir immer schon irgendwie wissen. Es ist die Grundlage all unseres Forschens, unserer Suche nach Wissen. Allerdings sind uns die daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen nie bewusst geworden.

Das Problem ist, dass alles sich aufzulösen droht. Der sichere Boden scheint uns entzogen zu sein. Was natürlich faktisch Unsinn ist. Genauso wie etwa die Idee, dass wir von einer sich frei im Raum drehenden kugelförmigen Erde zwangsläufig hinunterfallen müssten. Das geschieht nicht. Und ebenso wenig werden wir von aller Gebundenheit an die realen Verhältnisse befreit, wenn wir unsere Teilhabe an den unendlichen Möglichkeiten der vierten Dimension entdecken und akzeptieren.

Mit der Zeit können wir wohl lernen, sie zu nutzen. Und dann werden sie unser Leben beispiellos bereichern. Aber zunächst kommt es darauf an, die Dimension des Wissens zu erkennen und ernst zu nehmen – mit allen Konsequenzen. Das Erstaunliche ist nämlich, dass, wenn wir erkennen, dass wir größer sind und weiter reichen als je angenommen, wir vieler Freiheiten und Möglichkeiten beraubt werden, die wir zu haben schienen, solange wir meinten, vollkommen isoliert zu leben. Denn dies wiegte uns in der Illusion, von den Folgen unseres Tuns befreit zu sein. Dafür nahmen wir unsere Reduktion auf ein immer mehr gegen Null tendierendes Individuum in Kauf.


unterwegs-07-04-26-0

Reale Beschränkungen

Die neue Dimension ändert alles – und sie lässt alles, wie es ist. Sie eröffnet uns ungeahnte neue Horizonte – und war doch immer schon da. Wir haben uns längst in ihr eingerichtet. Dass wir andere Möglichkeiten hatten und haben, ändert nichts an den Beschränkungen, die momentan unsere Existenz bestimmen.

Aber wir können zum Beispiel lernen, sie zu verstehen. Indem wir Alternativen in Betracht ziehen. Nur so kann das, was ist, klar hervortreten. Es muss sich abheben. Und natürlich können wir dann einiges anders machen. Doch wenn wir uns als unfähig erweisen, die größere Perspektive zu leben, dann werden die Türen einfach wieder geschlossen. Die neue Freiheit passt nicht in die alten Beschränkungen des Geistes.

Das Problem ist, dass wir darauf dressiert sind, nur das zu erkennen, was abgeschlossen und abgetrennt ist. Alles andere, das nicht auf derartige Elemente zurückgeht, ist nicht real. Es zählt nicht wirklich. Wir brauchen also die beschränkte Sichtweise, um auf dem harten Boden der Realität zu bleiben.

Aber das ist nicht alles. Es gibt noch mehr. Der Boden ertreckt sich weiter als wir dachten. Dies ist überhaupt nicht obskur. Es ist etwas, das wir kennen und wissen. Wir reden vom Wissen.


unterwegs-07-06-11-0

Aktive Ansichten

Der Raum des Wissens ist das, was wir schließlich finden, wenn wir den größeren Raum suchen, den umfassenderen, die Erweiterung des Konzepts des dreidimensionalen Raums. Deshalb nennen wir Wissen hier die „vierte Dimension“. Das heißt aber nicht, dass wir im Raum des Wissens immer genau vier Dimensionen voneinander unterscheiden könnten oder gar müssten. Es können durchaus mehr oder weniger sein – oder auch gar keine.

Der dreidimensionale Raum findet seine Vervollständigung im Raum des Wissens, weil dieser alle möglichen Zustände aller möglichen dreidimensionalen Körper umfasst. Und weil er das statische Konzept des Raums zu einem dynamischen erweitert. Weshalb er auch „Raum der Aktivität“ oder „Ereignisraum“ genannt werden kann.

Alle Veränderung ist Bewegung in diesem Raum. Eine Bewegung, die immer neue Ansichten liefert, das Bestehende neu interpretiert, neue Zusammenhänge schafft. Jede neue Ansicht ist voller überquellender und ansteckender Aktivität und deshalb real. Sie fügt der Realität ein weiteres Stück hinzu; oder baut sie um. Ohne das Alte verletzen zu müssen. Denn Aktivität durchdringt und belebt alles. Sie ist Licht, das sich mit anderem Licht zu neuen Strukturen, zu neuem Wissen, vereinigt, ohne irgendetwas zu verdrängen.


unterwegs-07-09-27-0

Der Wissensraum eines Dinges

Wir erfahren etwas über ein Ding, indem wir mit ihm interagieren. Nur durch Interaktion mit anderen wird ein Ding bestimmt. Es ist all das, was in diesen Wechselwirkungen in Erscheinung tritt. Alle so gegebenen Erscheinungen oder Ansichten machen das Ding aus - und spannen seinen Raum auf.

Jedes Erscheinen eines Dinges zeigt eine neue Fassette desselben. Nur selten spiegelt sich darin so etwas wie eine völlig neue Eigenschaft wider, meist handelt es sich eher um einen bestimmten Wert einer bereits bekannten. Wir können uns das so vorstellen, als ob wir dem Ding einen bestimmten Platz auf einer Skala zuordneten - oder aber in einem Raum, der alle möglichen Ausprägungen der betreffenden Eigenschaft umfasst. So gesehen sollte ein Ding so viele Räume haben, wie es Eigenschaften besitzt - aber weil all diese Eigenschaften solche desselben Dinges sind, summieren sich die verschiedenen Räume zu einem: dem Raum aller Bestimmungen des Dinges, all dessen, was darüber gesagt und gewusst werden kann. Jede neue Erscheinung des Dinges markiert einen neuen Ort in diesem Wissensraum. Und jeder derartige Ort ist gegeben durch Wechselwirkung mit anderen Dingen.


Kontakt: mail@opuzz.org